Das Ende der Pflegeeltern
So eben habe ich die Aussage eines Pflegekinderdienstes vernommen, dass das Kreisjugendamt, zu dem diese Abteilung gehört, ihre Mitarbeiter aufstockt, um stationäre Einrichtungen zu Gunsten der Pflegeeltern massiv zu reduzieren. Es fiel sogar der Ausdruck: Wir werden die Stationären Einrichtungen einstampfen. Eine Entwicklung, deren Ziel bereits in den letzten Jahren zu beobachten war.
Mit Schrecken denke ich an den Leiter eines Jugendamtes, der vorrechnete, dass Pflegeeltern aus wirtschaftlicher Betrachtung, immer die günstigere Unterbringung seien. Aber zu welchem Preis – der überigens mit einkalkuliert wurde? Ohne mit der Wimper zu zucken wurde vorgerechnet, dass im Falle des Scheiterns die Kosten für die verbliebene Zeit massiv in die Höhe schnellen würden, dies aber durch die Einsparungen und die Fällen denen eine positive Entwicklung zu verzeichnen sei, gedeckt wäre.
Es ist einfach zu verlockend, wenn man die Kosten einer stationären Unterbringung denen von Pflegeeltern gegenüberstellt. Aber diese Rechnung wird ohne Betrachtung der Situation der Kinder gemacht. Sie beruht einzig und allein auf wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung.
Das System, wie es aktuell ist, ist nicht perfekt. Die 120Tsd jährlich unterzubringenden Kinder – Tendenz steigend – werden zur Hälfte bei Pflegeeltern untergebracht zu Hälfte in Heimen.
Und sicherlich isst die Anbindung an eine Familie in vielen Fällen eine gute und sinnvolle Entscheidung. Aber was völlig außer acht gelassen wird:
- Viele Unterbringungen sind auf Zeit ausgelegt. Die Jugendämter haben zum Zeitpunkt der Unterbringung noch keine klare Erkenntnis, wie sich die Ursprungsfamilie entwickeln wird. Kindesgefährdung aktuell liegt vor, aber vielleicht bekommt die Familie die Situation in den Griff. In der bisherigen Jugendamtwelt ein klarer Fall für Bereitschaftspflegestellen und dann für eine gewisse Zeiten eine stationäre Einrichtung.
Sinnvoll, denn Beziehung und familiäre Einbindung lassen sich nicht endlos immer und immer wieder neu knüpfen.
- Es gibt durchaus eine große Anzahl Kinder, die zum Zeitpunkt der Unterbringung nicht bereit sind eine neue Beziehung zu einem Erwachsenen einzugehen. Sei es, weil der Hilfeprozess zu langsam war oder zu spät kommt, sei es weil die Erlebnisse der Vergangenheit sich als zu extrem herausstellen.
Hier wäre eine Unterbringung in eine Pflegefamilie für beide Seiten eine schlechte Idee. Die Ausbildung eines Heimerziehers – mit späterer Weiterbildung in Richtung Traumapädagoge – dauert Jahre, die der Pflegeeltern ist in einigen zig Stunden erledigt.
- Der Wunsch Pflegeeltern zu werden entsteht nicht selten aus dem unerfüllten Wunsch – eigene Kinder zu haben. Gerade hier widerspricht die Unterbringung einiger Kinder – deren Schädigung in der Vergangenheit zu massiven Beziehungsstörungen geführt hat der Unterbringung in einer solchen Familie.
- Und zu guter Letzt, suchen Jugendämter in ganz Deutschland Pflegeeltern. Sie sind froh, den Bedarf im jetzigen System erfüllen zu können. Da nützen auch mehr Mitarbeiter wenig.
Statt sich das bestehende System anzuschauen und es durch stetige Veränderung zu verbessern, sehen sich Städte, Gemeinden und Kreise dazu veranlaßt, dringend die Kosten der Unterbringung massiv zu senken. So dringend, dass es egal ist, ob die Veränderung dem Kindeswohl zuträglich ist oder nicht. Wenn sich diese Entwicklung im großen Stil durchsetzt, sehe ich das Pflegekinder sterben, denn nichts wirkt sich negativer aus, als Berichte überforderter, enttäuschter Eltern, als Berichte schlecht versorgter Kinder, als Schreckensbilder und Schreckensberichte, wie wir sie in der Jugendhilfe der 70er Jahre hatten.
Geld ist nicht der einzige Punkt für gelungene Hilfen, aber Qualifikation und sinnvolle Hilfe muß halt finanziert werden. Und wem Stationäre Unterbringung zu teuer ist, hat nicht verstanden, dass es beide Institutionen bedarf, um in beiden Institutionen sinnvolle Arbeit zu machen, denn die Zielgruppen sind in beiden Fällen Kinder, aber eben nicht in beiden Fällen Kinder mit den selben Voraussetzungen.
Die Anzahl der Kinder, die sinnvoll in eine Pflegefamilie untergebracht werden können ist begrenzt, selbst in den Fällen, in denen es sinnvoll erscheint, ist häufig die Qualifikation der Eltern noch unzureichend, um mit der Lebenssituation, aus der die Kinder kommen umgehen zu können. Auch im bisherigen System gibt es von genügend Fällen zu berichten, in denen die Familie überfordert ist, scheitert, aufgeben muß.
Aber hey, es war günstig in dieser Zeit – sehr günstig.
Ich hoffe sehr, dass diese Aussage ein Einzelfall bleibt, aber ich fürchte, sie ist es nicht.